140 Jahre Bürgervereine der Wiehre: 1875 – 2015
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Die Freiburger Vororte Adelhausen und Wiehre wurden in den Französischen Kriegen mehrfachen zerstört. Erst ab 1756, nach dem erneutem Wiederaufbau der Adelhauser Kirche, dem Anna-Kirchle, begann in der Wiehre eine bescheidene
Bautätigkeit.
Zur Zeit der Eingemeindung der beiden selbstständigen Gemeinden nach Freiburg im Jahre 1819 lebten dort Handwerker, Rebleute und auch viele Tagelöhner in kleinen schmucklosen Häusern.
Nach Fertigstellung der neuen Dreisambrücke in Richtung Günterstal und dem Ende der Wirren der Badischen Revolution 1848/49 begann sich der als „Wiehre“ bezeichnete
Stadtteil zu entwickeln. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ein erster Bebauungsplan erstellt. Es folgte die erste Stadterweiterung nach Süden, die „Stephanienvorstadt“. Ab 1860 wurde die Wiehre von finanzkräftigen Freiburgern des gehobenen Mittelstands entdeckt.
In der Sitzung vom 29. September 1859 genehmigte der Freiburger Bürgerausschuss den Bau der Günterstalstraße, den Bürger seit über 40 Jahren gefordert hatten. Eine rege Bautätigkeit begann aber erst nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870 bis 1871.
Als Antwort auf die Veränderungen gründete der rührige Architekt, Bauunternehmer und Stadtrat Karl Walterspiel 1875 den Lokalverein „Wiehre“ – den ersten Bürgerverein in der Stadt. Dies geschah, als die Stadt weitere Baugebiete in der Wiehre erschließen wollte. Der Blick der Stadtväter in Richtung Wiehre und die geplanten Bauvorhaben wurden von den Anwohnern mit Skepsis begleitet. Dies erkennend, rief Karl Walterspiel mit dem „Lokalverein Wiehre“ eine Interessengemeinschaft ins Leben, die der Stadtverwaltung auf Augenhöhe entgegentreten und die Geschicke des Stadtteils mitbestimmen wollte.
Karl Walterspiel setzte sich 26 Jahre intensiv für „seine Wiehre“ ein. Die Bürgerschaft dankte es ihm durch die Ernennung zum „Ritter des Zähringer-Löwen-Ordens“. Unter seinem Vorsitz entwickelte sich der Lokal- und heutige Bürgerverein zu einer schlagkräftigen Interessenvertretung mit rund 260 Mitgliedern. Zum Vergleich: Unser Bürgerverein Mittel- und Unterwiehre hat annähernd 600 Mitglieder.
Karl Walterspiel genoss beachtliches Ansehen bei der Stadtverwaltung und konnte die Entwicklung der Wiehre stark
prägen. Um 1900 kam die Bebauung der Oberwiehre in Gang. Aus dieser Zeit stammt der Spruch: „In der Wiehri gibt‘s Backsteinkäs‘ um Vieri“.
Aufgrund der Erfolge des Wiehremer Bürgervereins entstanden nach seinem Vorbild in Freiburg zahlreiche weitere Lokal-
vereine: 1892 im Stühlinger, 1899 in Herdern, 1907 in der Nordstadt, 1908 in der Oberstadt und 1909 in Haslach. Der Bürgerverein „Wiehre“ teilte sich 1905 aufgrund der großflächig fortgeschrittenen Bebauung der Wiehre in die zwei Bürgervereine „Mittel- und Unterwiehre“ und „Oberwiehre-Waldsee“ auf.
Nach seinem Tod errichtete der Lokalverein Karl Walterspiel oberhalb des Rehbrünnele ein Denkmal:
Dem verdienstvollen Mitbürger
Stadtrat Karl Walterspiel
seinem Gründer u. ersten Vorstand
von 1875-1901
Der Lokalverein Wiehre
Eugen Reinwald