Engagierte Wiehre
Nein muss Nein heißen! – Wildwasser e.V. in der » Basler 8 «
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In der Basler Straße 8 findet sich ein bemerkenswertes Haus. Dort stellen die Vereine Frauen&Mädchen-GesundheitsZentrum, Frauenhorizonte, FrauenZimmer, Tritta und Wildwasser umfassende Angebote für Mädchen und Frauen bereit. Unser Bürgerverein sprach mit Susanne Strigel. Die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin ist Mitarbeiterin der Beratungsstelle Wildwasser Freiburg e.V.

Bürgerverein: Liebe Frau Strigel, Wildwasser engagiert sich für missbrauchte Mädchen und Frauen. Was tun Sie?
Strigel: Die betroffenen Mädchen sind oft auf sich gestellt. Wenn sie zu uns finden, ist es die erste Aufgabe, die Mädchen zu stabilisieren. Sobald dies einigermaßen geht, entwickeln wir gemeinsam Strategien, welche Hilfen notwendig sind.
Bürgerverein: Was können Sie ermöglichen?
Strigel: Wir überlegen mit den Mädchen, ob und wie mit der Familie gesprochen werden kann, ob eine Therapie angefangen wird oder ein Klinikaufenthalt hilft. Wir sind drei Kolleginnen und begleiten die Mädchen verlässlich, bis sie in guten Strukturen untergebracht sind.
Ein Schwerpunkt ist die Begleitung der Mädchen zur Polizei. Nur bis zu 20 Prozent der angezeigten Missbrauchsfälle werden derzeit gerichtlich bestraft. Dennoch ist es für viele Mädchen wichtig, die Täter anzuzeigen. Sie treffen damit die Entscheidung: Ich schweige nicht mehr. Ich bin kein stilles Opfer! – Durch Anzeigen werden außerdem Mehrfachtäter identifiziert. – Wir begleiten bei dem Weg durch die Instanzen und erleben, wie gut es ist, sich zu wehren, auch wenn die Chance auf Strafe leider bis heute nicht hoch ist.
Bürgerverein: Gibt es Umstände, unter denen Mädchen besonders gefährdet sind?
Strigel: Man kann sagen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen geschlossenen, patriarchalischen Systemen und Missbrauch – über alle Schichten, Religionen und Kulturen hinweg. Zwei Drittel der Täter kommen aus dem engen sozialen Umfeld bzw. der Familie. Geschlossene Systeme
können auch Gruppen wie Kirchengemeinschaften, ein Internat oder ein Sportverein sein. Dies ist eine unangenehme Wahrheit, der wir uns aber stellen müssen, wenn wir Kinder schützen wollen.
Bürgerverein: Bundesjustizminister Maas hat gerade ein neues Gesetz zu den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung auf den Weg gebracht. Wird es damit besser?
Strigel: In Teilen. Noch vor wenigen Jahren war sexualisierte Gewalt wirkungsvoll tabuisiert. Da sind wir heute weiter. Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche hat für das Thema sensibilisiert. Dennoch, viele Mädchen leben mit Scham, statt dass die Täter benannt und geächtet werden. – Und ‚Nein’ heißt immer noch nicht ‚Nein’. Unsere wesentliche Forderung wurde damit gesetzlich noch nicht umgesetzt.
Bürgerverein: Was sehen Sie als Forderungen, um Missbrauch zu verhindern?
Strigel: Zunächst müsste es eine differenzierte Hilfe für die betroffenen Menschen geben, wofür die gesamte Gesellschaft die Verantwortung trägt.
Außerdem braucht es Schutzkonzepte. Also eine effektive Präventionsarbeit. Wildwasser engagiert sich hier. Wir gehen in die Schulen und in die Behindertenhilfe. Wir machen Angebote für Schülerinnen und Schüler, damit diese verstehen, wie sie sich wehren und Hilfe holen können. Außerdem schulen wir Personal in pädagogischen Einrichtungen oder Sportvereinen. Allerdings kostet das neben unserer wichtigen Beratungsarbeit viel Zeit und also Geld. Wir haben die Spendenaktion „99 Rettungsringe“ ins Leben gerufen, um umfassende niederschwellige Begleitung für schwer belastete Mädchen bieten zu können. Es wäre toll, wenn sich Wiehremerinnen und Wiehremer für eine Unterstützung entscheiden könnten.
Bürgerverein: Liebe Frau Strigel, herzlichen Dank für das Gespräch.    
Das Interview führte Dorothee Schröder
Infos unter www.99-rettungsringe-gesucht.de