Anfangs war es die spontane Idee, die durch Aussetzung des universitären Lehrbetriebs gewonnene Zeit dazu zu nutzen, in der eigenen Nachbarschaft Risikopatienten und insbesondere ältere Menschen zu unterstützen. Auf der Suche nach einem bereits bestehenden Netzwerk stellten wir fest, dass es eine Vielzahl von Menschen gab, die bereit waren zu helfen und sich über die sozialen Medien (besonders Facebook) schon organisierten.
Die Schwierigkeit schien mehr darin zu bestehen, die Verbindung zwischen den meist älteren Hilfesuchenden, die oft ohne Zugang zu Email oder Social Media leben, und den jüngeren, Hilfe anbietenden Leuten herzustellen.
Daher sahen wir unsere vornehmliche Aufgabe darin diesen Kontakt aufzubauen. Schnell kamen wir ins Gespräch mit dem Bürgerverein der Mittel- und Unterwiehre, der nicht nur den direkten Kontakt zu hilfesuchenden Bewohnern der Wiehre herstellte, sondern uns auch ein gerade neu angeschafftes Lastenrad zur Verfügung stellte! Mittels Flyer und einer Anzeige in der Badischen Zeitung kam das Ganze dann ins Rollen. Anfragen erhielten wir per Mail oder telefonisch, entweder von den Betroffen direkt oder deren Angehörigen. Daraufhin wurde aus dem genannten Netzwerk jemand in der Nähe herausgesucht. Nachdem der Kontakt hergestellt war, wurden Einkaufslisten ausgetauscht. Bisher konnte allen Anfragenden geholfen werden und das Angebot an Hilfsangeboten ist immer noch nicht ausgeschöpft!
Ein Konzept, das auf Gegenseitigkeit beruht. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Beteiligten fragt, wie ihre bisherigen Eindrücke waren.
Auf der einen Seite “ist es toll zu erfahren, welches Potenzial in diesem neu entstandenen Netzwerk steckt, schnell und unkompliziert Kontakt zwischen Hilfesuchenden und Helfenden herzustellen. Wenn ich an meine eigenen älteren Familienmitglieder denke, die auf die Unterstützung anderer angewiesen sind, erscheint es mir umso wichtiger hier vor Ort zu helfen.” So meint Finnja K., die von Anfang an tatkräftig Unterstützung leistet. Die Helfenden schätzen es „einen positiven Beitrag für das Leben anderer Menschen leisten zu können”, so Elias S., welcher anschließend in seiner Sportmannschaft selbst eine Nachbarschaftshilfe organisierte.
Auf der anderen Seite wird das Angebot der Nachbarschaftshilfe gerne angenommen, da die älteren Menschen zur Risikogruppe gehören. „Wir konnten Tosca unsere Einkaufswünsche emailen und sie hat für uns eingekauft – das war wirklich ein Geschenk! Wenn sie mit den Lebensmitteln bei uns ankam, dann nahmen wir uns im Laufe der Wochen auch Zeit für persönliche Gespräche. Wir beide saßen mit einigen Metern Abstand auf den Stufen zum Garten und erzählten einander, wie wir die Zeit erleben und welche Fragen uns dabei beschäftigen. Das waren schöne Momente.“ (Frau B.)
In dieser besonders herausfordernden Zeit, die doch oft von negativen Schlagzeilen geprägt ist, zeigt die Nachbarschaftshilfe, dass es so einfach sein kann menschliche Solidarität zu leben und zu erfahren. Wir hoffen, dass einige dieser neuen Begegnungen erhalten bleiben und man sich, nachdem die Kontaktbeschränkungen gelockert werden, unter anderen Umständen kennen lernen kann. Frau B. hat ihre Einkaufshelferinnen jedenfalls für die Zeit „danach“ zu einem gemeinsamen Essen eingeladen. In diesem Sinne möchten wir uns bei allen Helfenden recht herzlich bedanken und sie bitten, weiterhin dabei zu bleiben. Die Gefahr einer Pandemie ist noch lange nicht gebannt.
Julia Lehmann