Denkmalschützer*innen haben einen schweren Stand. Ihre Entscheidungen sind oft unpopulär, und sie sehen sich zuweilen mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie gerne „die Großen“ verschonen, „die Kleinen“ hingegen oft mit pedantischen Auflagen zur Weißglut bringen.
Leider mehren sich in Freiburg die Anzeichen dafür, dass zumindest die Annahme eines Kuschelkurses mit „den Großen“ nicht ganz von der Hand zu weisen ist, und dass finanzstarke Investor*innen und Projektentwickler*innen zunehmend leichtes Spiel mit dem Denkmal-
schutz haben. Fehlt es den Denkmalbehörden inzwischen an Selbstbewusstsein, handeln sie unter dem Druck vermeintlicher Sachzwänge oder lassen sie sich von politischen Gegebenheiten leiten?
Die Liste umstrittener Entscheidungen, die solchen Überlegungen Nahrung geben und an deren vorläufigem Ende die Lorettostraße 8 steht, hat mittlerweile eine beträchtliche Länge erreicht. Hier seien nur einige Kostproben aus den letzten Jahren genannt:
- 2015 wird der Antrag abgelehnt, vier historische Gebäude an der Habsburgerstraße („Amerika-Areal“) unter Denkmalschutz zu stellen. Ein Investor hatte die Häuser erworben und ließ sie abreißen.
- 2016 wird eine Gruppe von vier mittelalterlichen Gebäuden („Ratsstüble-Komplex“) dem Erdboden gleich gemacht. Bis kurz vor dem Abriss standen sie unter Denkmalschutz, dann wurde der Denkmalschutz aufgehoben. Die Immobilienbesitzerin wollte Neubauten errichten.
- Seit 2017 setzten sich Gemeinderäte und der Bürgerverein Herdern für die Erhaltung des Hauses Habsburgerstraße 91 ein, eines der wenigen Exemplare seiner Art aus der Zeit vor dem gründerzeitlichen Bauboom in gutem Erhaltungszustand und weitgehend bauzeitlicher Erscheinungsform. Ein Investor wollte abreißen und neu bauen. Die ARGE Frei-burger Stadtbild e.V. stellte einen Antrag auf Denkmalschutz, die Behörde lehnte ab das Haus sei innen angeb-lich zu stark verändert. Inzwischen ist es abgerissen.
- Ähnlich in der Reutebachgasse 13 das letzte Sichtfachwerkhaus der Straße, gut erhalten und seit seiner Erbauung um 1788 nur wenig verändert, soll einem Neubauvorhaben weichen. Die ARGE Stadtbild stellte einen Antrag auf Denkmalschutz. Die Behörde lehnte ab. Das Haus sei innen angeblich zu stark verändert.
- Ganz aktuell ist eines der ältesten Häuser Günterstals in Gefahr, die Kybfelsenstraße 60. Das Gebäude stand bis vor kurzem unter Denkmalschutz. Nachdem ein Investor Interesse bekundet hatte, das Grundstück für eine Neubebauung zu vermarkten, entschied die Landesdenkmalbehörde, den Denkmalschutz aufzuheben. Das Haus sei innen angeblich zu stark verändert. Damit ist es zum Abriss freige-
geben.
Und nun die Lorettostraße 8. Angesichts der oben geschilderten Entscheidungen erscheint die Haltung der Denkmalpflege in diesem Fall geradezu widersinnig. Die Sachlage ist folgende: Das Gebäude ist das ehemalige Schulhaus der Wiehre. Es besitzt noch einen Baukern aus der Spätbarockzeit. Dieses wurde in den 1930er Jahren zu seiner heutigen Form umgebaut und erweitert, wofür stark in die barocke Bausubstanz eingegriffen wurde. Im Jahr 2003 wurde das Gebäude in seiner aktuellen, umgebauten Form unter Denkmalschutz gestellt. Nun möchte ein neuer Eigentümer das Haus erneut umbauen, wofür wiederum erhebliche Eingriffe in die innere Bausubstanz vorgesehen sind. So soll laut Konzeptvorlage des beauftragten Architekturbüros das Haupthaus im Inneren „neu strukturiert“ werden, um „die einzelnen Etagen räumlich miteinander zu verbinden“ – etwa durch eine „Deckenöffnung zum Einbau einer Galerie zur Verbindung der Wohnbereiche“. Und auch im zum Annaplatz hin gelegenen Anbau soll – ebenfalls „zum Erhalt einer Galerie“ – die Decke zum Wohnbereich „geöffnet“ werden. Und was sagt die Denkmalbehörde dazu? Sie stimmt zu. Paradoxerweise wird das Haus seinen Denkmalstatus trotz des massiven Innenausbaus nicht verlieren, während Veränderungen im Inneren in vielen anderen Fällen wie geschildert ein K.o.-Kriterium für den Denkmalschutz darstellen. Die Umbauarbeiten sind bereits im Gange. Auf Nachfrage des Bürgervereins erklärt die Untere Denkmalbehörde, die Maßnahme sei „baurechtlich und denkmalschutzrechtlich eng abgestimmt“ und die Veränderungen würden intensiv betreut. Nebenbei ist festzustellen, dass durch die „Sanierung“ eine klare Gentrifizierung stattfindet: Aus einem Mehrfamilienhaus mit drei Wohneinheiten entsteht eine einziges riesiges Luxus-Domizil von 355 m² Wohnfläche. Im Fall der Lorettostraße 8 kommt hinzu, dass der Umbau des Haupthauses mit der Errichtung eines flachen, eingeschossigen Neubaus einhergehen soll. Dieser soll das Haupthaus mit einem Nebengebäude verbinden, das in der Nordostecke des Grundstücks steht, an das Haus Annaplatz 11 angebaut ist und mit diesem – lediglich optisch – eine bauliche Einheit bildet. Der Neubau wird von Anwohner*innen heftig kritisiert, weil er in ihren Augen nicht nur eine unverhältnismäßige Nachverdichtung darstellt, sondern auch das Erscheinungsbild der historisch gewach-senen Bebauung am Annaplatz stark beeinträchtigt. Denkmalrechtlich mag gegen den Bau nichts einzuwenden sein, doch ein achtsamer Umgang mit der äußerst geschichtsträchtigen und sensiblen Baustruktur in diesem zum historischen Ortskern von Adelhausen zählenden Bereich sieht anders aus. Mit dem zunehmenden Finanzdruck verschwinden immer mehr der historischen Strukturen unwiederbringlich. Erst vor wenigen Jahren wurde in unmittelbarer Nachbarschaft das Haus Lorettostraße 14 als eines der letzten Beispiele einer älteren Siedlungsphase der Wiehre abgerissen.
Joachim Scheck