Zum dritten Mal fand im Dezember 2019 eine Weihnachtsfeier in der Geflüchtetenunterkunft in der Merzhauser Straße statt. Sammelpunkt war diesmal zunächst ein wärmendes Feuer im Hof. Viele Kinder fanden sich spontan ein, die restlichen Kinder kamen nach einem Gang des Weihnachtsmannes durch die Unterkunft dazu.
Stimmungsvoll gelang der Einstieg in die Feier durch unser Gitarrenduo „Giska und Markus“, die drei sehr schöne Weihnachtskompositionen darboten. Danach unterstützten sie uns mit der Gitarre beim gemeinsamen Singen von Weihnachtsliedern. Und anders als vor drei Jahren kannten die Kinder die Lieder und sangen lauthals mit. Es ist immer wieder eine Freude zu sehen, wie gern alle Kinder, unabhängig von ihrem Kulturkreis, singen.
In den Sozialräumen ging es dann mit einer Darbietung unseres interkulturellen „Orchesters con anima“ weiter. Nach dem gemeinsamen Zusammensitzen, Punsch trinken, Süßigkeiten und Mandarinen essen durfte sich dann jedes Kind, angefangen bei den Jüngsten, sein Geschenk beim Weihnachtsmann abholen.
Bemerkenswert ist, wie schön und engagiert die Kinder alle mitmachten. Sie kannten den Ablauf, waren emotional stabilisiert und hatten sichtbar Freude, die Feier mitzugestalten. Dies sehen wir als Ergebnis unserer dreijährigen Arbeit in Zusammenarbeit mit den Stadtpiraten und auch der Schule. Es ist gelungen, den Kindern ein Vertrauen zu vermitteln, das ihnen ermöglicht, in der Gemeinschaft ihren Platz einzunehmen. Kennen tun wir ehrenamtliche Betreuer noch alle Kinder – nur sehen tun wir sie nicht mehr so regelmäßig.
Die meisten unserer ehemaligen Hausaufgabenkinder sind mittlerweile in der schulischen Vollzeitbetreuung. Wir waren für die Kinder nach der Flucht sicher ein Ort der Stabilität, des regelmäßigen freundlichen, zugewandten Kontaktes mit Deutschen. Jetzt sind die Kinder in der Schule angekommen, haben dort Freunde und Freundinnen. Sie gestalten ihr Leben (auch schon mit zehn oder elf Jahren) in ihrem Lebensbereich selbstständig.
Diese Entwicklung ist auch in anderen Bereichen zu beobachten. Unsere Gesprächs- und Lernangebote wurden von denjenigen angenommen, die jeweils ein ganz spezielles Anliegen hatten. Abgesehen von individuellen Besonderheiten zeigen diese Verläufe, dass die Geflüchteten, die Bewohner der Unterkunft, insgesamt hier angekommen sind. Sie haben sich ein soziales Umfeld geschaffen, in dem sie leben können, in dem sie Freunde haben. Viele fanden auch den Weg in die Arbeit, wenn meist auch nicht in die gewünschten Berufe. Die meisten Frauen bleiben in der Unterkunft und führen den Haushalt. Sie kommen im (von uns erwünschten) Integrationsprozess nur langsam voran. Hemmnisse sind neben dem Zwang der traditionellen Rollenerwartung individuelle Einstellungen aber auch die bewusste und bestätigte Übernahme der aus der Heimat mitgebrachten Rollenvor-
stellungen.
Einige Mädchen fehlen tagelang in der Schule, weil sie die Eltern als Dolmetscherinnen zu Behörden oder Ärzten begleiten müssen. Einige andere der betreuten Jugendlichen besuchen sehr engagiert weiterführende berufliche Schulen, fehlen keinen Tag und schätzen die Lernunterstützung, die sie erfahren haben und noch erfahren.
Ausblick:
Wir führen unsere eingeführten Angebote weiter, da noch einige Nachfrage besteht und wir die positiven Auswirkungen sehen können.
Die Nähwerkstatt hat immer noch einen guten Zulauf. Für die Jugendlichen und einige Mütter ist die Möglichkeit, selbst schneidern zu können, durchaus weiterhin attraktiv.
Die Hausaufgabenhilfe, mit Kindern sowie auch mit jugendlichen Schülerinnen und Schülern läuft gut, die Lernfortschritte sind direkt zu sehen, auch bestandene Prüfungen motivieren Schüler*innen wie Lehrer*innen zum Weitermachen.
Die Einzelbetreuung von Erwachsenen, v.a. im sprachlichen Bereich, ist wie oben schon erwähnt, immer von der jeweiligen Motivation der Geflüchteten (Prüfung, Berufswahl u.ä.) abhängig, aber dann auch erfolgreich. Daher bieten wir diese Hilfe auch weiterhin an.
Leider verlässt uns das interkulturelle Orchester con anima, da sie größere Probenräume brauchen. Die anfängliche Begeisterung einiger Jugendlicher in der Unterkunft für klassische Musik hat sich nicht gehalten, so dass sich unter den Migranten des Orchesters kein Mitglied der Unterkunft mehr befindet.
Von den ursprünglich vielen ehrenamtlichen Helfern sind weiterhin etliche bis heute mit dabei, sodass wir uns durchaus vorstellen können, diese und andere Initiativen in den kommenden Jahren weiterzuführen. Nachfrage bleibt wohl bestehen: das Heim hat eine Kapazität von etwa 300 Bewohnern, und diese bleibt fast ausgeschöpft, unter anderem durch die allgemeine Wohnungsknappheit in der Stadt bedingt.
Karl-Hans Jauß ergänzt durch Peter Davison