Inklusion in der Wiehre
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„Verschiedenheit wird als der Normalfall in einer Gesellschaft akzeptiert.“
Inklusion steht für Einbezogensein, Dazugehörigkeit, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Für Menschen mit Handicap ist Teilhabe in vielen Teilen der Welt nicht gegeben. Auch in Deutschland war Inklusion bis in die 70er Jahre hinein keineswegs selbstverständlich. Aus Anlass ihres Todes würdigen wir Hildemargret Ritter, geboren am 18. Januar 1924 in Berlin, gestorben am 2. März 2015 in Freiburg. Sie setzte sich in der Wiehre für die Chance auf Teilhabe ein.
Hildemargret Ritter, die Gründerin des Arbeitskreises Behinderte an der Christuskirche (ABC) ist tot. Ritter wuchs als älteste Tochter von Pfarrer Hermann Weber (Bekennende Kirche) in der Wiehre, Maienstrasse 2, auf. Sie erlebte die Verfolgung und Inhaftierung von Familienmitgliedern und Freunden im Dritten Reich. Ihr Vater war Kopf des kirchlichen Widerstands in Freiburg gegen Hitler und Pfarrer an der Christuskirche. Geprägt wurde Hildemargret Ritter auch durch die Erfahrung, in der nationalsozialistischen Diktatur eine Schwester mit Down-Syndrom schützen und versorgen zu müssen.
Diese Erfahrung mag dazu beigetragen haben, dass sich Hildemargret Ritter später als Pfarrfrau an der Christuskirche – an der Seite ihres Mannes Frido Ritter – für Menschen mit Handicap einsetzte.
Sie gab ökumenischen Religionsunterricht für betroffene Kinder. 1969 wurden durch ihr Engagement sechs geistig beeinträchtigte Waisenkinder an der Christuskirche konfirmiert. Gemeinsam mit ihrem Mann entwickelte sie behindertengerechte Gottesdienste und Freizeitveranstaltungen, die bald von der Gemeinde der Christuskirche unterstützt wurden. Durch Ritters Einsatz fanden viele Kinder, Jugendliche und bald auch Erwachsene in der Christusgemeinde eine Heimat. Der von ihr 1970/1971 gegründete Arbeitskreis ABC ebnete Menschen mit Behinderung, die bis heute aus ganz Freiburg in die Wiehre kommen, den Weg.
Der Gedanke der Inklusion unterscheidet sich von der Idee der Integration. Integrative Ansätze leben von dem Gegensatz eines Innen und Außen. Wer integriert wird, kommt herein, hat wahrscheinlich Nachholbedarf und muss sich einpassen, Normen akzeptieren. Nicht nur Menschen mit Handicap, auch Einwanderer aus anderen Kulturen empfinden dies zu Recht als stigmatisierend. – Inklusion wertet unterschiedliche kulturelle, religiöse und körperliche Ausrichtungen nicht. Im Gegenteil: Verschiedenheit wird als der Normalfall in einer Gesellschaft akzeptiert.
Die Pfarrfrau Ritter lebte Inklusion in einer Zeit, in der behinderte Kinder oft noch zu Hause versteckt wurden. Bis heute beherbergt ihre alte Pfarrwohnung, dank der Intervention des Vereins „Freunde des Gemeindehauses Maienstrasse 2“, den ABC. Als fast Neunzigjährige besuchte sie noch im letzten Jahr eine Veranstaltung des Vereins im Gemeindehaus.
Dipl. Päd. V.A. Kreuzer,  Dorothee Schröder