Die 1008 erstmals urkundlich erwähnte Wiehre war bis Anfang des 19. Jahrhunderts ein eigenständiges Dorf, angesichts der Nähe zur Stadt Freiburg aber schon seit dem Mittelalter der Stadt mehr oder weniger freundlich, gelegentlich auch feindlich verbunden. In den hundert Jahren zwischen dem Ende des 30-jährigen Krieges und 1745 wurde Freiburg mehrfach von französischen Truppen besetzt, die auf dem Schlossberg auch eine moderne Festungsanlage bauten. Die Wiehre wurde jeweils eingeebnet, um Sicht und Schussfeld von Süden auf die Stadt Freiburg zu haben. Die Kanonenkugel in der Lorettokapelle zeugt von diesen Zeiten.
Die Wiehre entstand 1745 als Dorf erneut, Zentrum war nun das heutige Annakirchlein. Ihre Selbständigkeit verlor die Wiehre im 19. Jahrhundert – sie wurde ein Stadtteil Freiburgs. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gewann Freiburg mit dem Elsass wieder Hinterland und erlebte dadurch einen wirtschaftlichen Aufschwung, der die Stadt aus dem mittelalterlichen Stadtbezirk ausbrechen ließ. Die jenseits der malerischen Dreisam gelegene Wiehre erschien da wie geeignet für eine Expansion großbürger-lichen Bauens, für das die Altstadt keine Perspektive bot. Die alteingesessene Wiehremer Bevölkerung wurde in ein neues Stadtquartier jenseits des damals noch abgelegenen Bahnhofs umgesiedelt – so entstand der Stühlinger – und die Wiehre wurde neu bebaut.
Maßgeblichen Anteil hieran hatte der spätere Stadtrat Karl Walterspiel, der durchaus Interessen in der Wiehre hatte. Als Inhaber eines Baugeschäftes wusste er die Entwicklung der neuen Wiehre zu fördern, zur Unterstützung gründete er 1875 – wahrscheinlich im Grünen Baum in der Lorettostraße – den Lokalverein Wiehre, dessen Vorsitzender er bis 1901 war. Aufgabe des Vereins war die Wahrnehmung der Interessen des Stadtteils gegenüber der Stadtverwaltung. Der Verein war der erste dieser Art in Freiburg, möglicherweise im ganzen damaligen Deutschen Reich.
Auf Karl Walterspiel folgte bis 1905 Franz Xaver Isele. 1905 war die Wiehre durch Ausdehnung nach Osten weit über ihre bisherigen Grenzen gewachsen – das Gebiet war zu groß um angesichts unterschiedlicher Interessen in der Unterwiehre einerseits und in der Oberwiehre andererseits noch von einem Verein vertreten zu werden; es entstanden die beiden heutigen Vereine in Mittel- und Unterwiehre einerseits und Oberwiehre (später mit Waldsee) andererseits.
Unser Blick richtet sich nachfolgend nur noch auf Mittel- und Unterwiehre. Von 1905 bis 1911 wurde der Bürgerverein von Franz Gerteis geleitet, durch den 1. Weltkrieg stand von 1911 bis 1919 Richard Manok an der Spitze. Ihm folgte von 1919 bis 1933 Stadtrat Leo Staiger. Nach Staigers Tod wurde von 1933 bis 1937 der Verein von Emil Feninger geleitet, ehe er im Zuge der NS-Gleichschaltung 1937 aufgelöst wurde; vor der Auflösung hatte man die Kasse im Zuge eines feuchtfröhlichen Ausfluges auch gleichgeschaltet, sprich: geleert – so ein späterer Bericht.
1954 wurde der Verein als Lokalverein Mittel- und Unterwiehre neu gegründet, Erster Vorsitzender war Otto Karle, auf den bis 1965 Dr. Franz Kaiser folgte.
1965 kamen beide Wiehremer Vereine wieder zueinander: Stadtrat Wilhelm Eschle leitete bis 1969 beide Vereine in Personalunion; auf ihn folgte bis 1976 Ernst Wiesbrock; von 1976 bis 1982 wurde der Verein von Walter Lämmlin geleitet.
Der Verein dämmerte vor sich hin, 1982 unternahm Jörg Sommermeyer einen Neustart und wandelte den Verein in einen eingetragenen Verein um, zog sich aber 1985 wegen beruflicher Belastung zurück. In der Hauptversammlung 1985 wurde darüber diskutiert, ob man sich angesichts der niedrigen Mitgliederzahl – bereinigt: zwischen 30 und 40! – wieder mit der Oberwiehre zusammenschließen sollte. Man entschloss sich, mit Klaus Winkler einen neuen Versuch alleine zu unternehmen und die Entscheidung, nicht zu fusionieren, war wohl für beide Vereine die richtige: Die Mitgliederzahlen wuchsen jeweils rasant weit in die Hunderte. Ganz wesentlich war dafür die Politik von Oberbürgermeister Rolf Böhme, der die Bürgervereine ganz bewusst und gezielt als Transmission zwischen Stadtverwaltung und Bürgerschaft einsetzte. Die Bürgervereine erhielten auf diese Weise eine unüberhörbare Stimme im Rathaus, während die Bürgermeisterriege via Bürgervereine in die Stadtteile einwirken konnte. Häufige Konferenzen der Bürgervereine mit dem Oberbürgermeister oder auch dem Ersten Bürgermeister von Ungern-Sternberg belegen dies. Dadurch wurde das Interesse im Stadtteil an den Bürgervereinen geweckt: Man konnte auf diesem Wege etwas bewegen.
Klaus Winkler musste aus gesundheitlichen Gründen 2009 seit Amt aufgeben, blieb aber als Ehrenvorsitzender dem Bürgerverein erhalten. Sein Nachfolger war bis 2013 Eugen Reinwald, der nach langjähriger Vorstandstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste. In einer stürmischen Mitgliederversammlung wurde 2013 Justus Kampp zum Vorsitzenden gewählt, seit 2017 wird nach entsprechender Satzungsänderung der Bürgerverein durch ein Kollektiv geleitet.
Klaus Winkler