Klingt vermessen: Jeder Unfall ist vermeidbar! Mit „Vision Zero“ haben sich die skandinavischen Länder Schweden, Norwegen und Dänemark das politische Ziel gesetzt, die Zahl der bei Verkehrsunfällen getöteten Personen auf „null“ zu senken.
In Norwegen und in Norwegens Hauptstadt Oslo ist das Ziel fast erreicht: In Oslo gab es 2019 nur einen Verkehrstoten – ein Autofahrer, der gegen einen Zaun fuhr. In ganz Norwegen starb kein einziges Kind (0 bis 15 Jahre) durch einen Verkehrsunfall. Welch ein Unterschied zu den bundesdeutschen Straßen: Hier wurden 2019 noch 55 Kinder im Straßenverkehr getötet.
In Freiburg im Breisgau, das mit etwa 220.000 Einwohnern nur ein Drittel so groß ist wie Oslo, wurden 2019 sieben Menschen bei Verkehrsunfällen getötet. Darunter zwei Motoradfahrer, zwei Radfahrer und ein Fußgänger. Wie ist es möglich, dass in Oslo gelingt, was in Freiburg noch undenkbar scheint?
In Oslo wurde in der gesamten Stadt die zulässige Geschwindigkeit gesenkt und durch die Vermeidung von Durchgangsverkehr in den Wohngebieten der Autoverkehr reduziert. Die Stadt hat neue Zonen geschaffen, die für Autos gesperrt sind. Gleichzeitig wurde die räumliche Trennung von Auto- und Fahrradverkehr vorangetrieben und das Angebot des öffentlichen Verkehrs verbessert. Mehr als 1000 Autoparkplätze wurden im Stadtzentrum zurückgebaut und die entsprechende Fläche in Fahrrad- und Fußwege umgewidmet. Der Umbau des autofreien Stadtzentrums war zwar vorrangig ökologisch motiviert, um die Umwelt- und Klimabelastung zu reduzieren, hat aber auch zur Verkehrssicherheit von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen beigetragen. Bring- und Holdienste für Grundschüler*innen wurden erschwert, indem Zonen um die Grundschulen herum gebildet wurden, in denen die Schüler*innen weder ein- noch aussteigen dürfen. Gleichzeitig wurden Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit von Schulwegen getroffen. Die Geschwindigkeitsbegrenzungen werden nicht nur technisch, z.B. durch Bremsschwellen, durchgesetzt, sondern sie werden streng kontrolliert und eben-so wie Alkoholvergehen hart bestraft.
Ein zentraler Schlüssel des Erfolgs liegt darin, dass die Stadtverwaltung Oslo die Prioritäten in der Verkehrsplanung schlichtweg umkehrte: Fußgänger bekamen Vorrang vor Radfahrern, diese wiederum vor dem öffentlichen Verkehr und zuletzt folgt das Auto in der Hierarchie. Durch schnell umsetzbare Maßnahmen wurden die Veränderungen sichtbar und für die Menschen zeitnah erlebbar, was die Akzeptanz förderte.
Der Gemeinderat der Stadt Freiburg hat im Dezember 2020 die Forderungen des Freiburger Fuß- und Radentscheids übernommen und unterstützt sie. Jetzt kommt es darauf an, dass möglichst bald sichtbare Verbesserungen umgesetzt werden – auch in der Wiehre.
Dieter Seifried